Pigmentdruck auf Hahnemühle Photorag matt, kaschiert auf 2mm Dibond
schwebend montiert in weissem Holzrahmen, 2mm UV entspiegeltes Glas
Auflage: 4 (+ 1 AP)
DE:
Auszug NZZ Feuilleton vom 24.11.2017 / Philipp Meier
Der Künstler hat zweiminütige Filmsequenzen von Pornofilmen – wie sie sich im Internet zu Tausenden finden – überlappend auf ein Bild reduziert, das seinen Ursprung kaum verrät, dafür aber der Fantasie freien Lauf lässt. Allein der Werktitel Unprintable Color Space (two minutes of porn) enthält einen Hinweis auf das Ausgangsmaterial.
So sind nur farbige, sanfte Wolken zu sehen, die fast ein bisschen an die Landschaftsmalerei eines William Turner erinnern. Der Künstler aber will uns Betrachter*innen mit einem gesellschaftlichen Tabu konfrontieren, wie er selber sagt: mit jenem unendlichen virtuellen Raum sexueller Fantasien, der unter der Oberfläche gesellschaftlicher Konventionen wirkt. Das schmutzige Geheimnis von Baracchis schönem „Naturschauspiel“, das gleichsam die menschliche Seelenlandschaft zum Gegenstand hat, ist aber einmal mehr nichts anderes als chthonische, rohe Natur: das Sumpfgebiet des Sexus.
Baracchis Bilder erinnern auch an Thomas Ruffs bekannte Nudes: Stills pornografischer Filmszenen, die der deutsche Künstler mit Verwischungen und Unschärfen verfremdet und solcherweise wie durch ein Milchglas wiedergibt. Im Gegensatz zu Ruffs Werken, in welchen pornografisches Bildmaterial gleichsam salonfähig gemacht wird, verklären Baracchis Mixed-Media-Arbeiten aber nichts. Sie zeigen keine Pornografie. Sie bringen vielmehr die Abwehrmechanismen und Verdrängungsstrategien gegen diese Bilderwelt zur Sprache – eine Bilderwelt, in der all die archaisch-sexuellen Mythen und Stereotypen fortbestehen, die eine zivilisiert-hochentwickelte und emanzipiert-fortschrittliche Gesellschaft als überwunden glaubt, die aber weder Christentum noch Feminismus je ausrotten konnten.
Text Deborah Keller:
Auch in dieser Serie hat Peter Baracchi mit vorgefundenem Material gearbeitet – diesmal mit bewegten Bildern, konkret mit Pornofilmen, wie sie im Internet kursieren und massenhaft, aber meist heimlich konsumiert werden.
Für jede der sechs Arbeiten hat der Künstler aus je einem Video eine Sequenz von zwei Minuten ausgewählt und diese mittels verschiedener technischer Verfahren am Computer zu einem einzigen Bild kondensiert. Zwei unterschiedliche Bewegungsabläufe – jener der Akteure vor der Kamera und jener der Kamera selbst – werden so in einer quasi-Langzeitbelichtung festgehalten, wodurch sich die starke Verwischung des Motivs bis zur Unkenntlichkeit ergibt.
Was heißt das nun für die Betrachter*innen? Zunächst bewirkt die enthüllende Erläuterung ein Erschrecken – ja, vielleicht auch Beschämen: Man hat etwas betrachtet, was „man“ sich eigentlich nicht anschaut, was generell als anstößig oder gar widerlich bewertet wird. Dann setzt sich aber die so menschliche voyeuristische Lust durch, genauer hinzuschauen. Jetzt, wo die Fährte offengelegt ist, versucht man zu entschlüsseln, was sich in diesen zwei Minuten Pornofilm effektiv vor der Kamera abgespielt haben könnte. Und wie bei jeder Zensur beflügelt das vage Wiedergegebene die Fantasie nur umso mehr.
Genau in diesem psychologischen Moment liegen der Reiz und die Leistung dieser Serie: Die Bilder rücken den im Unterbewussten angelegten Grenzbereich zwischen Anziehung und Ekel ins Licht – ein Spannungsfeld, das sich am Beispiel der Pornografie besonders deutlich zeigt. Das „Ausleuchten“ geschieht dabei, anders als bei anderen Künstler*innen, die sich mit dem Phänomen Pornografie beschäftigt haben, ohne das Zitieren expliziter Sujets. Vielmehr wird die harte und klar definierte Ästhetik des Pornos überführt in eine ungewohnt weiche und zarte Bildlichkeit, die vorbehaltlos als angenehm und schön empfunden werden kann – die alles offenlässt, den Assoziationen freien Lauf ermöglicht und nur mit einem wörtlichen Hinweis im Titel die Kluft zum „Amoralischen“ öffnet.
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EN:
Excerpt from NZZ Feuilleton, November 24, 2017 / Philipp Meier
The artist has condensed two-minute clips from pornographic films—of the kind found by the thousands online—into a single overlapping image that barely reveals its origin, instead allowing the imagination to roam freely. The work’s title, Unprintable Color Space (two minutes of porn), is the only direct reference to the original material.
What we see are soft, colorful clouds that recall, almost tenderly, the landscapes of J.M.W. Turner. Yet, as the artist states, he aims to confront us with a societal taboo: the endless virtual space of sexual fantasy that operates beneath the surface of cultural norms. The dirty secret behind Baracchi’s seemingly beautiful “natural spectacle”—a depiction, in a way, of the human soulscape—is once again nothing other than chthonic, primal nature: the swamp land of sex.
Baracchi’s images evoke comparisons with Thomas Ruff’s well-known Nudes series—stills from pornographic films altered through blurring and distortion, as though viewed through frosted glass. But unlike Ruff’s work, which in some ways renders pornographic imagery socially acceptable, Baracchi’s mixed-media pieces do not romanticize. They show no pornography. Instead, they give visual form to the mechanisms of denial and suppression that surround this visual world—a world where archaic sexual myths and stereotypes persist, despite the appearance of a civilized, emancipated, and progressive society. Neither Christianity nor feminism has managed to eradicate them.
Text Deborah Keller:
In this series as well, Peter Baracchi works with found material—this time, moving images, specifically pornographic films that circulate online and are consumed massively, though usually in private. For each of the six works, the artist selected a two-minute sequence from one video and digitally condensed it into a single image using various technical processes. Two distinct types of movement—the actions in front of the camera and the camera’s own motion—are captured in a kind of long exposure, resulting in an extreme blurring that renders the original scene unrecognizable.
What does this mean for the viewer? At first, the disclosure of the source material may provoke shock—or even shame. One has been looking at something “one” is not supposed to look at, something generally regarded as offensive or even repulsive. Yet soon, the very human desire to look more closely takes over. Now that the context is known, the viewer tries to decipher what might have taken place during those two minutes on screen. As with any censorship, the vague rendering only fuels the imagination further.
This psychological moment is where the power of the series lies: the images illuminate the subconscious zone between attraction and disgust—a tension that becomes particularly clear in the context of pornography. But unlike other artists who engage with the phenomenon by citing explicit imagery, Baracchi avoids direct reference. Instead, the harsh and sharply defined aesthetic of pornography is transformed into a surprisingly soft and delicate visuality—pleasing and beautiful, open to free association. Only the title offers a literal clue, pointing toward the underlying moral ambiguity.
Unprintable Color Space (two minutes of porn), 2011-2013